Mobile Times Ärztekammer kontra Mobilfunker - die Schlacht geht weiter
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    Der Streit zwischen Wiener Ärztekammer und Mobilfunkern schwelt schon lange (siehe u. a. MTW 0190, 0288, 0300, 0308) und eskaliert von Zeit zu Zeit. Jetzt war es wieder so weit, denn das Forum Mobilkommunikation (FMK) liess sich (gemeinsam mir der FGF - Forschungsgemeinschaft Funk) die Chance nicht entgehen, von Prof. Dr. Alexander Lerchl (Jacobs University Bremen, Mitglied der deutschen Strahlenschutzkommission) die Methoden der Aufdeckung und die Konsequenzen rund um die gefälschte Mobilfunk-Studie aus Wien öffentlich aufzeigen zu lassen.
    Lerchl forderte auch, dass diese Studie so schnell wie möglich zurückgezogen werden muss, weil die Öffentlichkeit und die wissenschaftliche Öffentlichkeit die Hintergründe nicht kenne, und die Studien sonst weiter gewisses Aufsehen erlangen. Assistiert wurde Lerchl von Prof. Dr. Günter Speit (Universität Ulm), der auf Ersuchen des Wiener Arbeitsgruppenleiters Prof. Dr. Rüdiger seine Ergebnisse zu bestätigen, gemeinsam mit der Wiener Gruppe mehrere Versuche im Rahmen seiner Wiederholungsstudie durchführte und gestern erklärte: «In keinem der Experimente ergab sich ein Hinweis auf eine genotoxische Wirkung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern ... Diese Daten von Rüdiger sind nicht reproduzierbar und absolut unplausibel. Diesen Daten ist aus wissenschaftlicher Sicht keine grosse Bedeutung beizumessen».
    FMK-Geschäftsführer Maximilian Maier fand es skurril, dass die Ärztekammer weiter mauere, internationale Top-Experten verunglimpfe und Beschwichtigungsversuche der Industrie wahrnehme: «Das, was die Ärztekammer hier macht, ist zutiefst unredlich ... Es ist bedauerlich, dass die Ärztekammer Patientenschutz vorgibt, offenbar aber Politik und Ablenkungsmanöver im Sinn hat».

    (Wien - 2008-09-17) Um 15:45 tickerte dann die Austria Presse Agentur «Ärztekammer hält an Warnung vor Handy-Strahlung fest». Die Ärztekammer wolle wieder verdeutlichen, dass sie an ihrer Warnung vor Handy-Strahlung festhält, ein erhöhtes Risiko für Hirntumore befürchtet und nicht glaubt, dass die derzeit empfohlene Grenzwerte ausreichenden Schutz bieten.
    Die Technologie sei nach wie vor zu wenig und zu kurz erforscht, um eine Entwarnung geben zu können, betont der Referent für Umweltmedizin der Ärztekammer für Wien, Erik Huber. Anderslautende Meldungen seien Beschwichtigungsversuche der Industrie und daher im Sinne eines medizinischen Vorsorgegedankens «strikt zurückzuweisen». Man halte daher nach wie vor an den «10 medizinischen Handy-Regeln» (siehe MTW 0308) fest. Diese basierten auf der so genannten Reflex-Studie, die eindeutig einen gentoxischen Effekt auf menschliche Zellkulturen von Mobilfunkstrahlen in der Stärke, wie sie von jedem GSM-Handy erzeugt werden, belegt habe.
    Die Reflex-Studie sei nach wie vor unbestritten, so Huber. Es gäbe lediglich eine kritische Stimme zu einem Teilergebnis, wie dies in einem wissenschaftlichen Diskurs durchaus üblich sei. Diese komme von Alexander Lerchl von der Jacobs University Bremen, «einer Universität, die von der Industrie finanziert wird» so Huber. Lerchl sei ein ausgezeichneter Biologe mit besonderer Expertise im Bereich Melatonin und Biorhythmus und daher «vielleicht nicht wirklich» kompetent, eine multinationale Studie wie die Reflex-Studie inhaltlich zu beurteilen, betont Huber.
    Ausserdem sei die epidemiologische Evidenz noch bedeutender. Huber: «Erst kürzlich hat eine Meta-Analyse der Langzeitdaten epidemiologischer Studien bei Personen, die bereits mehr als zehn Jahre ein Mobiltelefon benutzen, ein bis zu 200 Prozent erhöhtes Risiko für die Erkrankung an einem Hirntumor ergeben», was zeige, dass in Zukunft mehr Menschen mit der Entstehung von Krebs in von Handy exponierten Körperregionen rechnen müssten.
    Dann geht Huber die Mobilfunkindustrie frontal an, denn diese habe es von Anfang an verabsäumt, sich bereits im Vorfeld mit dem Problem elektromagnetischer Felder (EMF) auseinanderzusetzen. Die Technologie sei vor ihrer grossflächigen Verbreitung nie vertieft auf gesundheitliche Auswirkungen überprüft worden, meinte Huber und setzt hinzu, dass die derzeit empfohlenen Grenzwerte absolut keinen ausreichenden Schutz bieten würden, weshalb man sich von Beschwichtigungsversuchen wie: «Die Grenzwerte sind vollkommen ausreichend» nicht in die Irre führen lassen solle. Huber erklärt auch, dass ein Medikament mit einer ähnlich unsicheren Datenlage wie derzeit bei der Mobilfunkstrahlung «nie im Leben zugelassen werden würde».

http://www.aekwien.at/

    (Wien - 2008-09-18) Am nächsten Tag zeigt sich das Forum Mobilkommunikation (FMK) in einer Erklärung «verwundert über Vorgangsweise der Ärztekammer» und FMK-Geschäftsführer Maximilian Maier zeigt sich «verwundert und irritiert» über die Aussendung der Ärztekammer, die an «fragwürdigen Experten und Einzelstudien sowie ihren Handyregeln» festhalte. Mit der steirischen Krebsstudie ihres Referenten für Umweltmedizin, Dr. Gerd Oberfeld, zu einer nichtexistenten Mobilfunkanlage und dem Fälschungsverdacht an insgesamt acht Publikationen der Meduni Wien zum EU-REFLEX-Projekt, seien die beiden wesentlichen Eckpfeiler der Argumentationslinie der Ärztekammer eingebrochen. Maier: «Das zeigt, dass die Quellen der Ärztekammer nicht belastbar sind ... Ärzte müssen die Folgen ihrer Äusserungen in der Öffentlichkeit besonders ernst nehmen und daher muss auch ihre Grundlage fundiert sein». Maier bedauert, dass die Ärztekammer den wissenschaftlichen Kenntnisstand ignoriere und sich nicht dem wissenschaftlichen Diskurs stelle, dann das sei für eine Standesvertretung des öffentlichen Gesundheitswesens zu wenig.

http://www.fmk.at/




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