Mobile Times Ein Blick in die Zukunft des Reisens
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    Wer sich heute auf einen kürzeren oder längeren Urlaub freut, der kommt um das Studium eines oder mehrerer Reiseführer kaum herum, wenn er am Ziel den Aufenthalt auch geniessen will.
    Im Zeitalter digitaler Landkarten ist das aber vielleicht schon ein Anachronismus. Zwar haben alle diese schönen Reiseführer von Baedeker über Dumont bis Polyglott Vorschläge, wie man die Sehenswürdigkeiten einer Stadt erwandert, aber das bedeutet auch, dass man das jeweilige Buch mitschleppen muss.
    Warum, so dachte man bei Tele Atlas, kann man das Ganze nicht einfach im Handy mit sich führen?
    Das Ergebnis dieser Überlegung ist der Prototyp eines Stadtführers von Rom, den wir ziemlich exklusiv testen konnten. Vorausgeschickt sei, dass die Vertreter von Tele Atlas mehrfach darauf aufmerksam machten, dass es sich hier keineswegs um ein fertiges Produkt handelt, sondern um eine Art Fingerübung, die Applikationsentwicklern zeigen kann, wie so etwas laufen könnte.
    Die Basis des Systems bildet natürlich eine Stadtkarte, die in diesem Fall auf einem Mitac Mio A701 GeoWalker lief - auch das ein Gerät, das im April 2006 noch nicht im Handel ist, das aber das erste Gerät dieses Anbieters ist, das die bisherigen getrennten Produktlinien von Mitac (GPS Navigationssysteme und Handys) in einem Gerät vereint.

Über geografische Datenerfassung
    Tele Atlas ist ein Unternehmen, das sich auf Datensammlung spezialisiert hat. Das heisst, von Tele Atlas kommen die Strassenkarten, die Bilder, die Hinweise auf Verkehrszeichen usw. Die Applikationen kommen von anderen Firmen wie z. B. Navicore, Navman, Siemens VDO, TomTom, Waymaker usw. Die Applikationen wieder können nur so gut sein, wie die gelieferten Basisdaten.
    Da wir von einem Navigationssystem mehr erwarten als von einer einfachen Strassenkarte, reichen Satellitenaufnahmen und die Ergebnisse der jeweiligen nationalen Landvermessung nicht aus. Daher müssen alle die Strassen regelmässig abgefahren werden und Details wie Verkehrszeichen, Ampeln, Zahl der Spuren, Abbiegespuren usw. erfasst werden.
    Kein Wunder, dass diese aufwendige Arbeit nur einige wenige Unternehmen schaffen, weshalb sich in den letzten Jahren der weltweite Wettbewerb mehr und mehr auf zwei Unternehmen zuspitzt: Europas 1984 gegründete Tele Atlas, die ihre Zentren in den Benelux-Ländern hat und die US-amerikanische Navteq aus Chicago/Illinois. Natürlich ist Tele Atlas in Nordamerika ebenso aktiv wie Navteq in Europa und beide sind auch in allen anderen Teilen der Welt aktiv - Ausnahme ist Japan, aber das hat lokale Gründe.

Der weltbekannte Turm der «Zytglogge» in Bern
Der weltbekannte Turm der «Zytglogge» in Bern
Die Gaudi-Kirche Sagrada Familia im spanischen Barcelona
Die Gaudi-Kirche Sagrada Familia im spanischen Barcelona

3D-Landkarte
    Im Dezember 2005 stellte Tele Atlas die erste 3D-Navigationslandkarte vor, die Sehenswürdigkeiten als 3D-Bilder enthält. Die ersten Städte, für die es solche Stadtkarten gibt, sind Athen, Barcelona, Berlin und Bern.
    Man erkennt recht gut den Vorteil eines derartiges Bildes: Die Strassen sind in bekannter Weise dargestellt, nur die Sehenswürdigkeit ragt heraus und lässt sich so - auch wenn man sie bisher nicht kannte - sehr leicht identifizieren.
    Die erste Ausgabe enthielt mehr als 60 bekannte Bilder vom Brandenburger Tor in Berlin über die Akropolis in Athen bis zur Sagrada Familia - die «Gaudi-Kirche» - in Barcelona. Man kann, so man nicht gerade navigiert, das Bild zoomen oder auch drehen, was besonders dann interessant ist, wenn man aus praktischen Gründen an die Rückseite nicht herankommt, aber dennoch wissen will, wie das Gebäude von hinten aussieht.

Deutsche Bilder für Europa
    Die Bilder wurden von der GTA Geoinformatik GmbH für Tele Atlas modelliert. Die Technik dazu ist geradezu spannend: Das jeweilige Gebäude wird sozusagen rekonstruiert, das heisst, aus dem Foto wird ein gezeichnetes 3D-Linienmodell erstellt. Anschliessend werden die Wände etc. mit aus dem Foto gewonnen Strukturen gefüllt. Der Sinn dahinter ist zweifach: Erstens brauchen geometrische Modelle (Vektorgrafiken) weit weniger Speicherplatz als Pixelgrafiken und zweitens würde man sich bei einem Foto sehr schwer tun, das Gebäude stufenlos zu rotieren und zu kippen. Selbst mit Videos wäre das nur sehr sehr aufwendig möglich.

Noch mehr 3D-Gebäude
    Nach den bereits erwähnten Städten Athen, Barcelona, Berlin und Bern will Tele Atlas in Kürze weitere europäische Städte in 3D publizieren. Auf der Liste stehen Amsterdam, Brüssel, Dublin, Helsinki, Kopenhagen, Lissabon, London, Madrid, Oslo, Paris, Prag, Rom, Stockholm, Stuttgart, Warschau und Wien. Schon 2006 erwartet man die ersten Produkte für Konsumenten, die mit inkludierten 3D-Bildern von Gebäuden ausgeliefert werden.

Alain De Taeye gründete 1984 Tele Atlas und ist heute noch CEO. Im Vordergrund ist das Logo von Tele Atlas zu erkennen, das in Weiss den auf der Wildgans reitenden Nils Holgersson auf orangem Grund zeigt.
Alain De Taeye gründete 1984 Tele Atlas und ist heute noch CEO. Im Vordergrund ist das Logo von Tele Atlas zu erkennen, das in Weiss den auf der Wildgans reitenden Nils Holgersson auf orangem Grund zeigt.

Die Reise ist so wichtig wie das Ziel
    Alain De Taeye gründete 1984 Tele Atlas und ist heute noch Chef des Unternehmens (CEO). Wenn man bedenkt, dass die Gründung von Tele Atlas zu einer Zeit erfolgte, als GPS für die meisten Menschen noch ein Fremdwort war und eine zivile Nutzung überhaupt noch nicht zur Debatte stand, war diese Gründung nicht nur mutig, sondern wohl auch von einer Vision begleitet.
    Wenn er also über die Zukunft digitaler Landkarten spricht und erklärt, warum die Reise genau so wichtig ist, wie das Ziel, weiss er sicher, wovon er spricht, denn er hat die gesamte Entwicklung der letzten Jahre nicht nur mitgemacht, sondern in weiten Teilen auch mitbestimmt: Von den einfachen Karten am Display, auf denen die Position des Fahrzeuges dargestellt wurde, bis zum tragbaren Gerät, das auf wenige Meter genau zeigt, wo man ist.
    Seine These lautet, dass digitale Landkarten gleichsam befreit worden sind und damit sei das Erstellen von Landkarten von einem Modell, dass sich auf die Führung des Nutzers konzentrierte, zu einem Modell gewandert, dass sich auf das Finden konzentriert.
    Ein Autonavigationssystem führt uns von A nach B. In den letzten Jahren kamen Verkehrsmeldungen in Echtzeit dazu, Warnungen vor scharfen Kurven voraus usw. Grundsätzlich sei das ein Erfolg - aber noch mehr sei zu erwarten.
    Im neuen «FIND-Modell» wird preiswerte und kleine Hardware genutzt, die mit reichlich Inhalten gefüllt wird und laufend dynamisch neue Informationen erhält. Damit öffnet sich für die digitalen Karten ein weit grösserer Markt mit neuen spannenden Applikationen. Die digitale Landkarte wird eine zusätzliche Hilfe bei der Entscheidung und nicht nur ein intelligenter Guide.

Drei Features für FIND
    Laut Alain De Taeye charakterisieren drei Eigenschaften das FIND-Modell:
    - Points of Interest (POIs) bzw. Orte von Interesse (OVI)
    - Leute
    - Portabilität
    Schon heute sind Navigationsgeräte voll mit OVIs: Tankstellen, Restaurants, Touristenattraktionen und die Menge der Informationen nimmt laufend zu und neue Technologien wie Breitbandmobilfunk ermöglichen es, die Geräte laufend mit neuen Informationen zu versorgen. So kann man etwa den gerade verfügbaren freien Parkraum erfahren oder in einem Dialog einen Tisch in einem Lokal buchen.
    Kombiniere man portable Navigation und Telefonie, hat man einen «Friend Finder». Man weiss zwar, wo die Freunde wohnen - aber wo sind sie jetzt gerade? Wer will, kann ganz präzise gefunden werden. Ein Treffen ist also leicht arrangiert.
    Oder man stelle sich vor, man hat ein Treffen am Morgen, will aber unterwegs noch frühstücken. Das System wird selbstverständlich etwas am Weg finden, das dem eigenen Geschmack entspricht. Man kann sich dort sogar mit einem Kollegen verabreden, der von seinem System ebenfalls dorthin geführt wird. Natürlich erinnert das System dann auch noch rechtzeitig, dass man aufbrechen muss, um zu seinem Termin rechtzeitig anzukommen.
    Für Alain De Taeye sind die Karten die Basis, die Infrastruktur, die dazu dient, die gewaltigen Datenmengen, die Tele Atlas digital verfügbar hat, zu organisieren. Die Karten sind also der Start einer Reise, auf der man geführt und informiert wird.

Eine Versuchsanordnung
    Heutige Mobiltelefone sind für das, was uns Tele Atlas in Rom vorgeführt hat, erst bedingt tauglich. Um genügend Platz für die Informationen zu finden, wurde alles, was nicht zum Betrieb des Handys erforderlich ist, entfernt. Natürlich gab es auch keine SIM, denn die Verbindung zum Mobilfunknetz braucht auch Strom. Kombiniert wurde das Mitac-Handy mit einem Bluetooth-Headset von Jabra. Für die Akkus von Handy und Headset wurde der Versuch dann übrigens zum Härtetest, wobei die Headsets im Durchschnitt bereits nach etwa 1,5 Stunden aufgaben, obwohl sie eigentlich nur das tun sollten, wofür sie gebaut sind: Ton vom Handy zum Ohr zu übertragen. Die Handys selbst, die eigentlich ja nicht für die Dauerbelastung gebaut sind, hielten länger durch und schafften beinahe die geplante Strecke. Was, bedenkt man, dass es sich wirklich nur um eine Demonstration der Möglichkeiten und nicht etwa um eine Frühversion eines geplanten Produktes handelt, eigentlich sensationell war.

St. Peter durch die Linse eines Kamerahandys gesehen
St. Peter durch die Linse eines Kamerahandys gesehen
St. Peter, wie es sich auf dem Display darbot. Das Modell kann in alle Richtungen gedreht werden. Dazu gibt es sowohl gesprochene als auch schriftliche Erklärungen.
St. Peter, wie es sich auf dem Display darbot. Das Modell kann in alle Richtungen gedreht werden. Dazu gibt es sowohl gesprochene als auch schriftliche Erklärungen.

Der digitale Reiseführer...
    Für die Testwanderung durch Rom war eine Strecke festgelegt, die an der Spanischen Treppe begann und dann am Mausoleum des Augustus vorbei über den Tiber zum Justizpalast, zur Engelsburg und weiter zum Petersdom führte. Von da ging es zur Piazza Navona und weiter zum Pantheon und dann zu Viktor Emanuel II protzigem Siegesbau neben der Säule des Trajan. Schliesslich durchquerte man die Kaiserforen und das Forum Romanum, um dann recht erschöpft das Kolosseum zu umrunden, wo die Tour zu Ende war.
    Während der ganzen Strecke aber, plauderte unser kleiner elektronischer Freund über die Sehenswürdigkeiten, die wir am Wegesrand sahen, zeigte uns Bilder und wies uns natürlich auch den Weg.
    Die Erklärung erfolgte nicht nur durch Sprache, sondern auch schriftlich am Display. Das Drehen der Gebäude erfolgte durch Stifteingabe.

... selbst gemacht
    Sollte es einen Anbieter geben, der sich der von Tele Atlas vorgeführten Möglichkeiten bedient, steht uns wohl eine Revolution der Art wie man Reiseführer nutzt, bevor. Man stelle sich vor, dass man aus den Bausteinen, die auf der Reiseführer-CD vorhanden sind, selbst seinen gewünschten Stadtrundgang zusammenstellt. Zuerst sucht man sich die Sehenswürdigkeiten aus, die man sehen will, natürlich kann man auch eine kleine Erfrischungsrast einplanen und das entsprechende Lokal ebenfalls auf der CD finden. Bei der Planung des eigentlichen Weges hilft selbstverständlich die Navigationssoftware.
    Die fertig zusammengestellte Tour spielt man dann aufs Handy und schon hat man seinen ganz individuellen Stadtführer samt Erklärungen, Weg usw.

Franz Köttl

LINKS
http://www.teleatlas.com/
http://www.gta-geo.de/
http://www.mio-tech.be/




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