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Artikel aus Mobile Times 16

Handy-Leben

Auf die Idee zu dieser Geschichte hat uns Dr. Bernhard Grillitsch aus Graz gebracht , dem seine Handy-Tastaturen genau so abhanden gekommen sind wie uns. Wir fragten uns also, wie lange lebt ein Handy eigentlich?


Der Auslöser waren die Abnützungserscheinungen der Tastaturen der ersten Serie des Nokia 2110, die nach einiger Zeit zu klemmen begannen. Bald stellten wir auch bei einem Philips Fizz der ersten Serie fest, daß eine große SIM-Karte nicht mehr erkannt wurde, obwohl sie völlig in Ordnung war. Ähnliches geschah uns dann bei einem Ascom Axento mit einer kleinen SIM, ebenfalls mit der ersten Serie. Und das sind natürlich auch nur Beispiele, die nicht als Regel gelten können, denn ein Nokia 2110, der zweiten Serie - von Österreichs Händlern gerne als 2110i bezeichnet - zeigte keinerlei Abnützungserscheinungen. Weitere Beispiele für Handy-Defekte finden sich fast in jedem Heft von MOBILE TIMES auf den Leserbriefseiten "Reaktionen".

Nun ist es sicher so, daß die Redaktion von MOBILE TIMES (wer wechselt schon dauernd seine SIM-Karte?), oder eben ein Rechtsanwalt, der Handys zur Kommunikation zwischen Mitarbeitern bei Gericht und seiner Kanzlei benutzt, nicht als "normale" User einzustufen sind, weil ihre Beanspruchung eines Gerätes sicher überdurchschnittlich ist.

Folientasten

Die Konstruktion von Handy-Tastaturen entspricht meist der von Fernsteuerungen für Fernsehgeräte. Das hat nicht nur preisliche, sondern auch technische Gründe, weil Folientastaturen flacher gebaut werden können als solche mit Mikroschaltern. Folientastaturen leben aber weniger Zyklen als Mikroschalter; also endet auch das erste Leben eines Handys mit dem Tod der Tastatur - bis man sie durch eine neue ersetzten läßt, was man aber oft bleiben läßt, weil ein neues Handy kaum teurer ist als die Reparatur. Beim TV-Gerät ist das einfacher: man kauft eine neue Fernsteuerung, wenn die "originale" ihren Geist aufgegeben hat oder bedient das Gerät direkt.

Lebensdauer 2 Jahre?

Stutzig wurden wir, als wir hörten, daß beim Round-Table der Handy-Hersteller bei der GSM-Konferenz in Cannes vom Vodafone-Manager Mark Pinches vorgerechnet wurde, daß die Zahl der verkaufte Handys 1996 weltweit ziemlich genau der Zahl der Mobiltelephon-Kunden Ende 1994 entsprach. Wenn wir jetzt nicht annehmen, daß die Hersteller von Handys ihre Verkaufszahlen stark übertreiben, könnten wir also daraus schließen, daß die durchschnittliche Lebensdauer eines Handys gerade zwei Jahre beträgt? Das würde auch ganz gut mit den Erfahrungen von Dr. Grillitsch zusammenpassen, dessen Handys nach etwa 18 Monaten den Geist aufgegeben haben.

Natürlich waren die Handyhersteller anderer Meinung und beriefen sich darauf, daß gerade im genannten Zeitraum der große Wechsel aus den analogen zu den digitalen Netzen begonnen habe und die große Zahl neuer Handys nur damit erklärt werden könnte. Außerdem sei es ja so, daß mit der Entwicklung der GSM-Technik auch die Handys den neuen Features gerecht werden müssen und jemand, der alle Leistungen seines Netzes nutzen will, der muß sich eben alle zwei Jahre ein neues Gerät kaufen.

Natürlich muß man verstehen, daß Hersteller vom Verkauf leben und nicht von Geräten, die ewig leben. Aber viele Probleme werden auch vom Markt verursacht.

Handy um öS 99,- ?

Aktionen, bei denen man Handys um einen Spottpreis erwerben kann, zeigen auch, daß dafür selbstverständlich ein Markt vorhanden ist. Wenn wir bedenken, daß Mikroschalter, die die Haltbarkeit der Tastataur erhöhen, aber das Handy schwerer machen würden, den reinen Materialpreis eines Handys um etwa zwanzig Schilling erhöhen - abgesehen von den Maschinenzeiten und Personalkosten - so stellt das beim 99-Schilling-Handy eine Preiserhöhung von 20 Prozent dar.

Der größte Teil der neuen Handys wurde in letzter Zeit - wenigstens hierzulande - bei "Aktionen" erworben. Kunden, die mehr Wert auf geringe Kosten als auf hohe Qualität legen. Weil die meisten dieser Teilnehmer auch nicht all zu viel telephonieren fällt dann auch manche Schwachstelle des eben erworbenen Gerätes gar nicht ins Gewicht - und nach zwei Jahren will man dann ohnehin schon wieder ein neues Gerät, weil das alte all die vielen neuen Features, die man ohnehin gar nicht genützt hat, nicht beherrscht. Und der Kreislauf geht weiter, denn die nächsten Verbesserungen des GSM-Standards kommen ebenso, wie die nächste Verkleinerung der Handys.

Resumée

Was soll man also als geplagter "Heavy User" machen?

Das Prinzip "Hoffnung" ist natürlich nicht genug, dennoch können wir kaum eine Alternative anbieten, denn bei unseren Tests haben wir noch kein wirkliches "Schrott-Handy" zu Gesicht bekommen, außer einmal und den Hersteller gibt es längst nicht mehr.

Was wir uns allerdings wünschen ist manchmal mehr Kulanz bei den Herstellern oder - wenn die Handys wirklich nur für zwei Jahre gebaut sind, was wir nicht hoffen - mehr Ehrlichkeit gegenüber dem Kunden. Es wäre eigentlich auch gar nichts dabei, denn selbst wenn wir annehmen, daß das Handy öS 6.000,- kostet, wären das auf zwei Jahre umgerechnet auch nur öS 250,- pro Monat und das ist immer noch deutlich weniger als die niedrigste monatliche Grundgebühr für eine SIM-Karte. Bleibt nur das Problem, daß sicher kein Hersteller als erster sagen wird "Meine Handys halten nur zwei Jahre" - aber wie wäre es mit zwei Jahren Garantie?

fak




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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