Mobile Times Artikel aus Mobile Times 5
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"Connect!"

Das Großereignis Telecom, das nur alle vier Jahre stattfindet, ist mit keiner anderen Messe weltweit zu vergleichen: die Besucher sind Staatsoberhäupter, Unternehmensvorstände, Fachminister, Bosse großer Telekom-Unternehmen und natürlich Journalisten. Sie alle informieren sich auf der Telecom über aktuelle und zukünftige Entwicklungen.


Vom südafrikanischen Staatspräsidenten Nelson Mandela, über Rußlands Postminister Bulgak oder Intel-Boß Andy Grove bis zu Intelsat-Präsidenten Ollila stellten sich nicht hunderte Prominente, sondern im wahrsten Sinne des Wortes die oberen Zehntausend der Telecom-Welt in Genf ein.
    Die Dimensionen der Ausstellungsstände lassen die auf der CeBIT verblassen: In den Hallen, bauten Alcatel, Hewlett-Packard, IBM, Siemens - um nur einige zu nenne - jeweils mehrstöckige Ausstellungsgebilde, die auch als Gebäude in einem innerstädtischen Geschäftsviertel durchaus repräsentativ gewirkt hätten. Klimatisierte Räume und Kinosäle gehörten sozusagen zur Mindestaussttung solcher Stände. Für die meisten Großstände mußte man sich noch zusätzlich zu seiner Eintritts- und Pressekarte extra akkreditieren lassen. Jede dieser Akkreditierungen war mit einem eigenen Brustschild verbunden. Unter den Journalisten ging daher auch schon der Scherz um, daß man seine Brust nur wie ein sowjetischer General mit Anhängetäfelchen pflastern muß - dann kommt man in jeden Stand hinein.

Mobilkommunikation

Das Thema der Telecom hieß diesmal "Connect!" und die großen Ausstellunsgbrocken waren natürlich die sogenannten Breitbandnetze, Multimedia, Internet und die Satellitenkommunikation. Weltweit sind nach Angaben der ITU 26% aller Telefonanschlüsse nicht mehr über Drähte, sondern über Funk mit ihrem Telefonnetz verbunden. Das liegt zwar auch an der rasanten Entwicklung der Mobiltelefonie in den industrialisierten Staaten, hat aber vor allem damit zu tun, daß Länder,wie etwa Malaysia, die noch einen hohen Nachholbedarf bei der Infrastruktur haben, auf aufwendige Drahtnetze verzichten und dafür gleich Funknetze aufbauen, die schneller und preiswerter zu errichten sind. Solche Länder sind es auch, die der Idee, große, aber dünn besiedelte Flächen mit Satellitenfunk abzudecken, Auftrieb geben. Lesen Sie dazu auch "Mit dem Handy durch die Wüste?" ab Seite 18 in diesem Heft.
    Im Bereich Mobiltelefonie hat sich GSM weitgehend als internationaler Standard durchgesetzt: Neuseeland, Australien, China, Rußland und Afrika haben sich längst für den europäischen Standard entschieden. Selbst die oft zitierten Fidschi-Inseln haben bereits ein GSM-Netz im Betrieb. Nur die Amerikaner zieren sich noch. Aber auch dort haben die Europäer mit dem GSM-Derivat PCS-1900 bereits ihren Fuß kräftig in die Tür gestellt.
    Kein Wunder, daß es für GSM immer neue Entwicklungen gibt. Zu den bekannten Handy-Anbietern gesellten sich auf dieser Messe Benefon - ein hierzulande bisher kaum bekannter finnischer Anbieter - sowie Toshiba und OKI. Bei Siemens gab es das GSM Modul M1 zu sehen, das ausschließlich für Datenübertragung gedacht ist:: fix eingebaut in Fahrzeugen dient es dem Diebstahlschutz oder dem Flottenmanagement, sitzt eventuell stationär in Verkehrsleitsystemen, Meßstationen, Alarmanlagen usw. Damit könnte GSM viele der bisherigen Funksysteme ersetzen.
    Der GSM-Markt ist so interessant, daß jetzt auch Siemens eine eigene GSM-Basisstation fertigt. Bisher wurde diese Komponente von Fremdherstellern zugekauft, in Zukunft kommt sie von Siemens Italien. Meinte Siemens-Vorstand Jung auf die Frage eines Journalisten: die Zusammenarbeit mit Motorola wird sich wohl verändern und "a more hybrid relationship than in the past" werden.
    Daß GSM auch als Basis für Breitbandsysteme dienen kann, führte Nokia auf der Telecom vor. Dort benutzte man ein modifiziertes Handy vom Typ 2110 und eine dazu passende (ebenfalls modifizierte) PCMCIA-Karte, um sogar Bewegtbilder über GSM zu übertragen. Das Multislotsystem (mehrere Zeitschlitze) kann man sich einfach als eine Art Parallelschaltung mehrerer GSM-Kanäle vorstellen. Eine technische Grenze nach oben bilden nur die von der Behörde zugeteilten Frequenzen.

Mobilität auch lokal

Im lokalen Bereich gewinnt das europäische digitale Schnurlostelefon DECT an Interesse. In entsprechend organisierten Gebieten kann man mit diesem Schnurlostelefon noch weit vom Büro oder der Wohnung entfernt erreichbar bleiben - in Helsinki sind derzeit 1,2 km Distanz im Gespräch.Dabei kann das Gebiet das Gelände einer Fabrik, aber auch öffentliches Gelände sein. Im öffentlichen Gelände muß aber ein öffentlich tätiger Netzbetreiber die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen - wie man es derzeit etwa in Finnland plant. Dort soll das künftige PCS (Personal Communcatiion System) nicht auf Basis DCS-1800, sondern auf DECT-Basis errichtet werden.

Das Universalsystem

Die ITU entwickelt das Konzept der "persönlichen Mobilität", das vorsieht, daß ein Kunde seine Telekom-Dienste überall und jederzeit durch jede Art von Endgerät erhalten kann. Universal Personal Telecommunication bzw. UPT ist der offizielle Name dafür. Dazu wird es eine einheitliche weltweit gültige UPT-Nummer geben. UPT verwendet ein persönliches Profil, das der Kunde selbst festlegt und das u.a. variable Regeln enthält, die dem System sagen, wo der Kunde zu welcher Zeit und in welchem Netzwerk erreichbar sein will.
    Dabei ist es dann unerheblich, ob es sich um ein Festnetz oder um ein mobiles Netz handelt. Theoretisch kann sich der User dann irgendwo auf der Erde aufhalten und ist noch immer unter seiner persönlichen Nummer erreichbar: der Anrufer wählt einfach die ihm bekannte UPT Nummer und den Rest erledigt das System.
    Die Frage, wer die neuen Nummern vergibt, ist noch ebenso offen wie die der Finanzierung. Ein teilchaotisches Nummernsystem, wie es derzeit fast überall benutzt wird, ist dann nicht mehr möglich, denn es soll ja jede Nummer weltweit nur einmal geben. Eine elfstellige Nummer sollte genügen. Wem das viel vorkommt, der soll einmal zusammenzählen, wieviele Stellen eine Fax-Durchwahl in Wien hat, wenn man aus Hamburg wählt: 0043 für Österreich, 1 für Wien, die siebenstelligen Nummer in Wien und schließlich noch die zwei- bis dreistellige Durchwahl: 14 Stellen Minimum.

Breitband-Multimedia

Daß man seine Pizza via Internet bestellen kann, hat sich ja mittlerweile herumgesprochen, daß es aber auch Möglichkeiten gibt, dem Pizzakoch live bei der Arbeit zuzusehen, bevor man elektronisch bestellt, das ist wohl doch neu.
    Möglich macht das die Breitband-Kommunikationstechnik, die derzeit schon so viele technische Möglichkeiten bietet, daß man kaum mehr weiß, wofür man diese Technik denn noch alles einsetzen kann. Die große Hoffnung der Anbieter heißt Video on demand, aber bisher scheint die Nachfrage der potentiellen Kunden noch wenig berauschend zu sein.
    Diskutiert wurde auch die Möglichkeit, daß Fernsehanstalten ihre Nachrichtensendungen in einem Datenserver speichern und man sich die letzten Nachrichten dann ansehen kann, wenn man gerade Zeit dazu hat. Eine Anwendung, von der man inzwischen weiß, daß dafür weit größeres Interesse als für Filme auf Abruf besteht.
    Noch gar nicht versucht wurde die wahrscheinlichste Notwendigkeit für Breitbandnetze: Internet oder ein kommerzielles Parallelsystem muß in der gegenwärtigen Konfiguration bald durch Überlastung zusammenbrechen und das bei einem Stand von geschätzten dreißig Millionen Anwendern weltweit. Schon jetzt kann ein E-Mail von Wien nach München eine Woche dauern und auch innerhalb Wiens wurden schon Laufzeiten von drei Tagen vermeldet - warum also nicht eine Art Super-Internet?
    Der Stand von heute wurde jedenfalls auf der Telecom demonstriert wo z.B. Siemens eine Hochgeschwindigkeitsstrecke, basierend auf SMDS (Switched Multimegabit Data Service) live vorführte. SMDS dient zur verbindungslosen Koppelung von lokalen Datennetzen und ist Teil des ATM-Standards. Damit aber steht der weiten Verbreitung von ATM auch als Wählsystem jede Möglichkeit offen.

Österreich-Komponenten

Die Leistungen der Siemens-Softwareentwicklung in Österreich - alleine 1.200 Mannjahre Entwicklungsarbeit für GSM - sind ziemlich bekannt. Weniger bekannt ist, daß auch Alcatel Österreich im internationalen Konzert der Telecom-Softwareentwickler ein gewichtiges Wort mitzureden hat.
    Auf der Telecom wurde im Rahmen des Alcatel-Standes gleich drei Neuentwicklungen aus Wien präsentiert: ein Applikationsgenerator für Call-Center, ein Voice-Processing-System und das Traffic-Management zur Steuerung des Gesprächsaufkommens in privaten und öffentlichen Netzen.
    Man sieht: die nächsten vier Jahre wird die Telekom-Industrie von den Impulsen aus Genf leben.

Franz A. Köttl


Verwendete Abkürzungen

ATMAsynchronous Transfer Mode; eine Technik, die zur Verwirklichung des sogenannten Breitband-ISDN entwickelt wurde, heute aber generell für Breitbandübertragungssysteme verwendet wird
CeBITCentrum für Büro und Informationstechnik; größte Computermesse Europas. Findet jährlich im März in Hannover statt.
DECTDigital European Cordless Telephone; der europäische Standard für digitale Schnurlostelephone
DCS 1800 Digital Comminication System; ein Derivat von GSM, das im Frequenzbereich 1.800 MHz arbeitet, sonst aber identisch ist.
ETACSExtended Total Access Communication System; analoger Mobiltelefonstandard z.B. das österreichische D-Netz
GAPGeneric Access Profile; definiert die Luftschnittstelle zwischen DECT-Basisstation und Mobilgerät.
GSMGlobal System for Mobile Communication; europäischer digitaler Mobiltelefonstandard im Bereich 900 MHz.
ISDNIntegrated Services Digital Network; das alle bisherigen Fernmeldedienste integrierende digitale Drahtnetz der Post
ITUInternational Telecommunications Union; mit der UNO verbundener weltweiter Dachverband der Telekombetreiber und Anbieter
NMTNordic Mobile Telephone; analoger skandinavischer Mobiltelefonstandard
PCSPersonal Communications System; PCS soll die unbeschränkte persönliche Kommunikation ermöglichen und ist nicht zu verwechseln mit PCS-1900.
PCS 1900Personal Communications System; Abart von GSM speziell für die in den USA freigegebenen Frequenzbereiche um 1.900 MHz adaptiert.
UPTUniversal Personal Telephone bzw. Universal Personal Telephone Number; Künftige einheitliche, weltweit gültige personenbezogene Nummer.



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